Der chronische Kopf- und Gesichtsschmerz –
Schmerztherapeutische Fragestellungen

J. Fanghänel (Greifswald), U. Preuße (Essen)

 

Die zahlreichen anatomischen Strukturen am Kopf bieten auch die verschiedenen Ursachengefüge für den Schmerz. Er kann nozizeptiv aber auch neurologischer Genese sein. In erster Linie sind es die Hirnnerven (Nn. V, IX, X), Äste des Plexus cervicalis sowie von Spinalnerven, welche die sensible Innervation des Kopfes besorgen und Engpasssyndromen (Entrapmentsyndromen) sowie Irritationen unterliegen. Diese Nerven teilen sich an Kopf und Hals die sensible Versorgung (Abb. 1).

 

1. N. trigeminus

Der Trigeminus als 1. Kiemenbogennerv tritt mit zwei Faserportionen, einer sensiblen Radix sensoria (Portio major) und einer motorischen Radix motoria (Portio minor), seitlich aus der Brücke aus. Dabei liegt die Portio major kaudal der Portio minor. Beide Anteile bilden zunächst einen gemeinsamen, breiten Stamm und ziehen zur mittleren Schädelgrube.

Vor der Spitze der Felsenbeinpyramide, teilweise über dem Foramen lacerum, liegt das relativ große Ganglion trigeminale (Ganglion semilunare, Ganglion Gasseri) in einer Impressio trigemini auf der Vorderwand der Felsenbeinpyramide in einer mit Liquor cerebrospinalis gefüllten Duratasche. Es scheint einer Verbreiterung der Portio major zu entsprechen. Das Ganglion ist etwa 1,5 cm breit und aufgrund der komplizierten topografischen Lage kann es zu unterschiedlichen Ausfällen und Störungen kommen. Die Portio minor unterkreuzt das Ganglion und legt sich dem vom Ganglion abgehenden N. mandibularis an. Atypisch verlaufende Gefäße, insbesondere die der A. cerebelli superior, können den zentralen, marklosen Anteil der Trigeminuswurzel beim Brückenaustritt umschlingen und komprimieren. Dieser Befund wird als häufigste Ursache der Trigeminusneuralgie gewertet.

Äste des Nervus trigeminus

Von der vorderen, konvexen Seite des Ganglion trigeminale gehen die 3 Hauptäste des N. trigeminus, N. ophthalmicus, N. maxillaris und N. mandibularis ab. Die Dura mater reicht bis zum Abgang dieser Äste. Die Endverzweigungen der genannten Nerven sind die Nn. supraorbitalis, infraorbitalis und mentales, deren Endabschnitte gleichzeitig auch Druckpunkte darstellen (Entrapments möglich!).

Auf den 3 Hauptästen liegen parasympathische Ganglien, welche allerdings mit der Schmerzempfindung nichts zu tun haben und daher nicht abgehandelt werden.

Nervus ophthalmicus (N. V1)

Der rein sensible N. ophthalmicus gibt noch innerhalb des Schädels einen kleinen, rückläufigen Ramus tentorii ab, der das Tentorium cerebelli und die Falx cerebri der Dura mater (Duraschmerz = Kopfschmerz!) innerviert. Dann tritt der N. ophthalmicus in die Wand des Sinus cavernosus ein und teilt sich kurz nach seinem Wiederaustritt in seine drei Hauptäste – N. lacrimalis, N. frontalis und N. nasociliaris – die gemeinsam durch die Fissura orbitalis superior die Schädelhöhle verlassen und in die Orbita eintreten (Entrapments möglich). Durch die topographischen Verhältnisse im Sinus cavernosus und in der Fissura orbitalis superior ist der N V1 am Kavernosussyndrom (bei Thrombose, Tumoren, Aneurysmen) und Fissura-orbitalissuperior-Syndrom (Engpass, Tumore) beteiligt.

Nervus maxillaris (N. V2)

Der rein sensible N. maxillaris tritt nach Verlassen des Ganglion trigeminale durch das Foramen rotundum in die Fossa pterygopalatina ein. Bereits vorher entsendet er einen kleinen R. meningeus zur Dura mater (Kopfschmerz). In der Fossa pterygopalatina teilt er sich in seine Hauptäste, die Nn. pterygopalatini, den N. zygomaticus und den N. infraorbitalis (Entrapments möglich).

Nervus mandibularis (N. V3)

Der gemischte (sensible und motorische) N. mandibularis verlässt die Schädelhöhle durch das direkt unter dem Ganglion trigeminale gelegene Foramen ovale. Er gibt dann sofort einen kleinen R. meningeus ab, der durch das Foramen spinosum rückläufig wieder in die Schädelhöhle eintritt und sich dort an der Versorgung der Dura mater (Kopfschmerz!) beteiligt. Außerdem innerviert dieser Ramus einen Teil der Schleimhaut der Keilbeinhöhle und der Cellulae mastoideae. Der nach vorne gerichtete Teil des N. mandibularis ist vorwiegend motorisch (Portio minor), der dorsale, aus der Portio major entstammende Teil ist sensibel.

Die Schmerzleitung des N. trigeminus (Abb. 2)

Diese ist polyneuronal. Das erste Neuron wird von den Perikarya, den peripheren und zentralen Fortsätzen kleiner, pseudounipolarer Zellen des Ganglion trigeminale oder Zellen sensibler Ganglien anderer Hirnnerven und Spinalnerven gebildet. Es handelt sich um kleine, stoffwechselaktive Zellen mit einem ausgeprägten Golgiapparat. Die gebündelten peripheren und zentralen Fortsätze der Ganglienzellen bilden insgesamt den sensiblen Teil des N. trigeminus. Die zentralen Fortsätze der nozizeptiven Ganglienzellen, also die zentrale Fortsetzung der AGamma -und C-Fasern, enden überwiegend nicht nur für den Trigeminus, sondern für alle Hirnnerven mit nozizeptiver Leitung am kaudalen Teil des spinalen Trigeminuskernes (es sind dies außerdem der N. facialis, N. glossopharyngeus und N. vagus). Die Pars caudalis des spinalen Trigeminuskernes stellt also den Terminalkern für die nozizeptiven Afferenzen aller Hirnnerven dar; die entsprechenden Afferenzen der Spinalnerven führen zu den Hinterhornzellen des Rückenmarkes. Der zytoarchitektonische Aufbau des Terminalkernes ist vergleichbar mit dem des Hinterhorns, er kann als Fortsetzung der Hintersäule des Rückenmarkes verstanden werden.

Im spinalen Trigeminuskern bzw. im Hinterhorn des Rückenmarkes werden die peripheren Erregungen auf kurze Schaltzellen (sog. Interneurone) und Strangzellen übertragen. Die afferenten Fortsätze der Strangzellen bilden strangförmige Bahnen (Tractus), die zu höheren Hirnzentren führen (2. Neuron). Der Tractus trigeminothalamicus lateralis und der Tr. spinothalamicus führen nach Kreuzung der Gegenseite der nozizeptiven Erregungen zum Thalamus. Andere Zentren, wie die Formatio reticularis im unteren Hirnstamm oder das zentrale Höhlengrau werden entweder direkt oder durch Abzweigungen von den Hauptbahnen erreicht (vegetative Irritationen bei Trigeminusreizungen!). Diese Stationen sind zugleich Zentren des endogenen Schmerzhemmungssystems.

Eine bemerkenswerte Bahn ist ein internukleärer Tractus im Kerngebiet des Trigeminus. Die Fasern dieser Bahn verlaufen ipsilateral vom kaudalen Teil des Trigeminuskernes zum Nucleus sensorius principalis des Trigeminus, der in der Brücke liegt. Von dort wird die Erregung über eine kreuzende Bahn fortgesetzt, die vom Tr. trigeminothalamicus lateralis aufgenommen und zu kontralateralen Thalamuskernen geleitet wird.

Der internukleäre Tractus ist als Teil der Schmerzleitung des Gesichtes anzusehen. Experimentelle Untersuchungen haben gezeigt, dass eine komplette Unterbrechung der Schmerzleitung nur dann möglich ist, wenn auch diese Bahn und nicht nur der Tr. trigeminothalamicus unterbrochen wird.

Im Thalamus beginnt das 3. Neuron der Schmerzleitung. Fortsätze von Thalamuszellen führen die nozizeptiven Erregungen weiter zu Rindenzentren:

Im somatosensorischen Cortex soll neben der Schmerzempfindung vorwiegend die Lokalisation des Schmerzreizes stattfinden, in den anderen genannten Rindenzentren eine emotionale Bewertung des Schmerzens erfolgen, die in der Regel mit entsprechenden Schmerzäußerungen (mimischer und akustischer Natur bzw. mit Abwehr- und Fluchtbewegungen) verbunden sind.

Heute steht fest, dass Schmerzerlebnisse, genauso wie alle anderen bewussten Sinneseindrücke, ohne Beteiligung der Großhirnrinde nicht möglich sind. So können einerseits Verletzungen im Bereich der somatosensorischen Rinde zu dauerhaft bestehen bleibenden kontralateralen Analgesien führen. Andererseits ist es gelungen, durch lokale elektrische Reizungen der genannten Hirnareale beim Menschen Schmerzempfindungen auszulösen. In den einzelnen Zentren des Systems bestehen zahlreiche Möglichkeiten der Modulation der primär von der Peripherie einlaufenden nozizeptiven Erregungen, die die weitgefächerte Skala der Reaktionen des Menschen auf nozizeptive Reize erklären. Insbesondere das limbische System als emotionales Zentrum und das endogene Schmerzhemmmungssystem nehmen entscheidende modulatorische Einflüsse. Detailkenntnisse des geschilderten Systems haben schließlich das pathogenetische Verständnis bestimmter Schmerzerkrankungen ebenso gefördert wie therapeutische Konsequenzen. Seine Bahnen bzw. Zentren stellen zumindest prinzipiell Orte dar, an denen ein zentraler Schmerz ausgelöst oder die Schmerzweiterleitung und –verarbeitung durch pharmakologische, chirurgische und evtl. auch psychotherapeutische Maßnahmen moduliert und beeinflusst werden kann.

 

2. Nervus glossopharyngeus (N. IX)

Der 3. Kiemenbogennerv wendet sich zur vorderen Abteilung des Foramen jugulare, in der sich das nicht ganz beständige Ganglion superior (Wurzelganglion) befindet. Das Foramen kann durch Knochenfortsätze teilweise oder vollständig geteilt werden (Engpasssyndrome möglich!) Dicht unterhalb des Foramen liegt in der Fossula petrosa, das größere und beständigere (wahrscheinlich parasympathische) Ganglion inferius. Der erste Ast, N. tympanicus, zweigt vom Ganglion inferior ab, gelangt in die Paukenhöhle und bildet mit sympathaischen Fasern den Plexus tympanicus. Er führt sensible (Ohrenschmerz) und parasympathische Fasern, welche als N. petrosus minor durch Knochenkanälchen und das Foramen lacerum (Engpasssyndrom!) zur Parotis ziehen. Des weiteren ziehen sensible und parasympathische Fasern als Rr. pharyngei (zum Plexus pharyngeus – bei Paresen kommt es zum Ausfall des Gaumen- und Würgereflexes!), Rr. tonsillares und Rr. linguales zu den entsprechenden Organen.

Vergleichbar mit der idiopathischen Trigeminusneuralgie ist die seltene Glossopharyngeusneuralgie. Ausgelöst werden können die Schmerzanfälle z. B. durch Schlucken, Kauen, Husten oder Sprechen. Auch hier konnten komprimierende Gefäßschlingen am zentralen Abschnitt des 9. Hirnnerven beobachtet werden. Hier ist ebenfalls Beschwerdefreiheit durch Gefäßverlagerung erzielbar.

 

3. Nervus vagus (N. X)

Er ist der Nerv des 4. und 5. Kiemenbogens und zieht zur vorderen Abteilung des Foramen jugulare (Engpasssyndrom!), in welcher er zu dem kleinen Ganglion superior (welches einem Spinalganglion entspricht) anschwillt. Nach seinem Schädelaustritt geht er in das spindelförmige 1 – 3 cm im Wesentlichen parasympathische Ganglion inferior über. Aus dem Kopfteil entstammen der R. meningeus und der R. auricularis. Der R. menigeus zieht durch das Foramen jugulare rückläufig zur Dura mater der hinteren Schädelgrube hin. Bei starker Reizung, z. B. durch Meningitis kommt es zu reflektorischem Erbrechen. Der R. auricularis, der einzige Hautast des Vagus, zieht durch den Canalis mastoideus (der in der Fissura tympanomastoidea endet) u. a. zum äußeren Gehörgang (Schwindel!) Des weiteren nimmt er auch den R. internus des N. accessoius (Accessorius vagi) auf, welcher die Mm. sternocleidomastoidei, trapezoidei und Mm. rhomboidei motorisch versorgt (Vagussensationen bei Myalgien der genannten Muskeln – es sei auch die Verschaltung der Nn. IX, X, XI über den Nucleus ambiguus erwähnt!). Vom Halsteil gehen u. a. auch die Rr. pharyngei ab, die zum Plexus pharyngeus ziehen.

 

4. Ausgewählte topografisch-anatomische und allgemeine Ursachen für Neuralgien bzw. Schädigungen einiger Hirnnerven

 

5. Plexus cervicalis

Sensible Nerven des Halsgeflechtes, welche den ventralen Ästen de Spinalnerven C1 – C4 entspringen, wie die Nn. auricularis magnus und occipitalis minor, erscheinen im mittleren Drittel des Hinterrandes des M. sternocleidomastoideus (Area nervosa plexus cervicalis, Punctum nervosum, Erb-Punkt). Sie strahlen von hier fächerförmig subkutan aus (Anästhesiemöglichkeit!).

 

6. Nervi spinales

Die hinteren Äste der Spinalnerven können an der Innervation des Hinterkopfes beteiligt sein. Der N. occipitalis major (R. dorsalis C2) verläuft zur Haut des Hinterkopfes, geht zumeist mit dem N. occipitalis minor (aus dem Plexus cervicalis) Verbindungen ein. Entstehung von Okzipitalisneuralgien beim Durchtritt durch den derben aponeurotischen Trapeziusursprung oder auch Schmerzentstehung (evtl. auch in Trigeminusgebiete) bei Osteochondrose der Kopfgelenke.

Auch der N. occipitalis tertius (R. dorsalis C3) versorgt das Hinterhaupt sensibel.

 

Abbildungslegenden

Abb. 1: Hautnerven des Kopfes und Halses
Die sensiblen Versorgungsgebiete der 3 Trigeminusäste und der Zervikalnerven sind durch verschiedene Schraffierung wiedergegeben.

Abb. 2: Aszendierende Schmerzbahnen
Linke Seite: Afferente Nerven, Trigeminuskerne (spinaler Endkern punktiert, die Pars caudalis dicht punktiert)
C = Zervikalnerv, V, VII, IX, X = Hirnnerven
1 = Tractus trigeminothalamicus lateralis
2 = internukleäre Verbindung zwischen Pars caudalis des spinalen Trigeminuskernes und Nucleus sensorius principalis
3 = Tractus spinothalamicus.